Derbywochen in Deutschland (Teil 1).

26 09 2010

Kaum eine Woche war seit meiner Rückkehr aus dem fernen Osten vergangen und schon zog es mich wieder ins Ausland. Da ich zu einem der wenigen Glücklichen gehöre die im Besitz eines Tickets für das erste Hamburger Derby seit mehr als 8 Jahren waren bastelte ich mir eine Interrailtour mit attraktivem Rahmenprogramm zusammen.

Wenn morgens um 5:29 die Erde am Lenzburger Bahnhof zittert und die Funken sprühen, ja dann kann es nur der Interregio Chur – Basel sein, der Zug der Schweizerischen Bundesbahnen der mit dem wohl ältesten verfügbaren Rollmaterial unterwegs ist. Wie meistens war der Zug auch an diesem Morgen praktisch leer, jedoch mit gleich vier Kondukteuren besetzt.

In Basel traf ich dann auf Andrea, welche am Sonntag das Revierderby auf Schalke auf ihrer Traktandenliste hatte. Der Samstag sollte jedoch gemeinsam im Ruhrpott verbracht werden. Nach einem kurzen Currywursthalt in Köln wurde schliesslich Oberhausen erreicht. Eine halbe Stunde reichte um mit dem Extrabus zum Stadion zu gelangen, ein Ticket zum Preis von 9.50 Euro käuflich zu erwerben und mit den etwas überforderten Ordnern darüber zu streiten was denn nun mit unseren Taschen beziehungsweise deren Inhalt geschehen sollte. Am Ende waren sowohl die Taschen als auch der nicht stadionordnungskonforme Inhalt im Stadion Niederrhein.

Fussball, Deutschland, 2. Bundesliga, neuer Ground
18.09.10 SC Rot-Weiss Oberhausen – VfL Bochum
3:1 (1:1), 8’561 Zuschauer, Stadion Niederrhein, Oberhausen

Im gut gefüllten Stadion zu Oberhausen wollten knapp 9‘000 Zuseher dem kleinen Revierderby gegen den VfL Bochum beiwohnen. Die angegebene Zuschauerzahl halte ich jedoch für massiv untertrieben, die tatsächliche Zuschauerzahl dürfte sich auf etwa 15‘000 belaufen (hier wollte man wohl Billetsteuern sparen). Alleine aus nahegelegen Bochum waren rund 2000 – 3000 Fans angereist.

Diese machten dann auch gleich mit einer ganz ordentlichen Pyroshow auf sich aufmerksam. Bis auf den harten Kern in der rechten Ecke war die akkustische Unterstützung jedoch eher schwach. Noch schwächer zeigte sich jedoch der Fanblock der Kleeblätter. Der Gastgeber gab die Antwort allerdings auf dem grünen Rasen. 1:1 stand es zur Pause und am Ende gingen die Gastgeber als 3:1-Sieger vom Platz.

Fussball, Deutschland, NRW-Liga, neuer Ground
18.09.10 SpVgg Erkenschwick – FC Wegberg-Beeck
2:2 (0:0), 297 Zuschauer, Stimbergstadion, Oer-Erkenschwick

Zusammen mit David, einem Deutschen Hopper den wir in der Halbzeitpause getroffen hatten ging es nun mit seinem Gefährt nach Oer-Erkenschwick, wo das Stimbergstadion viel zu früh erreicht wurde. Hier, wo früher lange Zeit in der höchsten Spielklasse (Oberliga West) und später in der 2. Bundesliga gekickt wurde traf das kürzlich aufgestiegene Heimteam im Rahmen der NRW-Liga auf den zweiten Aufsteiger, den FC Wegberg-Beeck.

Da bis zum Anpfiff allerdings noch einige Zeit zu bewältigen war gönnten wir uns ein paar Bierchen (1.70 Euro) und eine Portion Pommes Frites zum unschlagbaren Preis von 1 Euro. Man war eben im billigen Ruhrgebiet. Etwas später stiess überraschend Andy Wundy dazu, ein weiterer Deutscher Hopper. Und um die gesellige Runde zu komplettieren trafen wir im Stadion auf Marius, ebenfals Deutscher, ebenfalls Hopper.

Etwas Unterhaltung konnte bei dem durchgehend langweiligen Spiel nicht schaden. Für die frechen 8 Euro Eintritt wurde einem ausser einem tollen Stadion nun wirklich nichts geboten. Irgendwann führten die Gastgeber dann doch noch mit 2:0, doch irgendwie schafften die es diesen Vorsprung in den letzten 5 Minuten noch zu vergeigen. Auch das 2:3 wäre durchaus im Bereich des Möglichen gewesen. Es blieb allerdings bei der Punkteteilung und Andy setzte uns am nächsten Bahnhof (Recklinghausen) ab. Andrea fuhr schliesslich weiter nach Hagen um zu übernachten, ich hatte meine Schlafgelegenheit bei Martin in Uelzen.

Da Martin bei einem Spiel in Havelse war trafen wir uns am Hauptbahnhof in Hannover. Es reichte noch für ein Bierchen im Jack the Ripper’s Pub ehe endlich der Metronom nach Uelzen bestiegen werden konnte.

Fussball, Deutschland, Oberliga Hamburg, Neuer Ground
19.09.10 SC Condor Hamburg – Meiendorfer SV
2:2 (0:0), 260 Zuschauer, Sportplatz Berner Heerweg, Hamburg

Eigentlich wollten wir ja mit demselben Zug mit dem wir in Uelzen ankamen 4 Stunden später weiter nach Hamburg an den weltberühmten Fischmarkt, doch massiver Schlafmangel liess uns dann doch erst den 9:01-Zug nehmen. Mit der zweiten zeitlichen Punktlandung dieser Tour erreichten wir um 10:45 den Sportplatz am Berner Heerweg (der Name hat nichts mit der Schweizer Hauptstadt Bern zu tun sondern kommt vom Hamburger Stadtteil Berne). Es folgte eine mässig interessantes Spiel der Oberliga Hamburg (Eintritt 6 Euro) welches mit einem gerechten 2:2-Unentschieden endete. Während des Spiels trafen wir noch auf Torsten (richtig, ein Deutscher Hopper) welcher leider keine Karte für das Derby mehr bekommen hatte und so mit einem unterklassigen Spiel Vorlieb nehmen musste.

Fussball, Deutschland, 1. Bundesliga, neuer Ground
19.09.10 FC Sankt Pauli – Hamburger SV
1:1 (0:0), 24’360 Zuschauer (ausverkauft), Millerntor-Stadion, Hamburg
1. Bundesliga somit wieder komplett.

Das lang erwartete Hamburger Stadtderby, das erste welches seit 48 Jahren wieder am Millerntor stattfand, versprach so einiges an Brisanz. Gerade mal 2‘100 HSV-Fans hatten eine Karte bekommen, Chaos war also vorprogrammiert. Und so kam es das gegen 13:30 so an die 3‘000 – 4‘000 Anhänger des Hamburger Sportvereins durch die Strassen von St. Pauli marschierten, bewacht von weit über 1‘000 Polizisten und mehreren Wasserwerfern.

Da die Polizei versuchte den grossen Mob in mehrere kleine Gruppen aufzuteilen kam es schliesslich nicht unerwartet zu heftigen Krawallen, auf welche die Staatsgewalt mit viel Wasser und Tränengas antwortete. Wir beobachteten das Geschehen aus sicherer Entfernung von Hans-Albers-Platz, zu dem wir nur durch einen Trick gelangen konnten: Da die Polizei die Strassen abriegelte schlichen wir uns vor den Augen der Uniformierten in ein Pornokino um dieses wenige Meter hinter deren Rücken wieder zu verlassen.

Als wir das Stadion auf dem Heiligengeistfeld schliesslich betreten hatten konnten wir nur den Kopfschütteln. Die wollten den HSV-Mob doch tatsächlich mit ein paar Absperrgittern von einem Blocksturm abhalten. Plötzlich ging alles ganz schnell: Jemand schrie „Schliesst das Tor“, dann kam eine Gruppe von mehreren hundert HSV-Fans angerannt. Das massive Eisentor hielt dem Druck noch knapp zwei Minuten stand, dann war der Weg auch für die Fans ohne Eintrittskarte frei.

Zu Spielbeginn gab es wie erwartet auf beiden Seiten Choreos, auf jene im Gästeblock folgte eine ziemliche Menge blauer Rauch. Auch nach dem Pausentee boten die im HSV-Jargon „Zecken“ genannten Gastgeber eine ansehnliche Choreographie, während die akkustisch überlegenen Blauen mit Pyro antworteten.

Das Millerntor-Stadion, das bis dato letzte fehlende Kreuz in meiner Bundesligaliste, tobte als der FC St. Pauli mit 1:0 in Führung ging. Mladen Petric war es schliesslich der die einzigen wirklich Unabsteigbaren vor der Blamage bewahrte. Spielerisch konnte das Derby leider nicht überzeugen. HSV-Goalie Frank Rosts Aussage „Das war Ringelpietz mit Anfassen“ traf es auf den Punkt.

Nach dem Spiel ereigneten sich Szenen in St. Pauli die ich selbst nicht für möglich gehalten hatte. Das Hamburger Rotlichtviertel versank in einer Welle der Gewalt wie sie sonst höchstens am 1. Mai zu beobachten ist. Auf detaillierte Ausführungen verzichte ich an dieser Stelle.

Am Bahnhof verabschiedete ich mich von Martin (herzlichen Dank nochmals für die Karte) und bestieg den Ersatz-ICE nach Dortmund, wo ich auf den regulären Zug wechseln musste. In Essen stieg dann auch Andrea wieder zu und als das 6er-Abteil leer war konnten wir die Nacht bis Basel schliesslich schlafend verbringen.