Die Stadt der guten Winde.

7 10 2011

In Buenos Aires angekommen blieb mir nicht viel Zeit. Eigentlich wollte ich am Donnerstagnachmittag gleich zwei Fussballspiele besuchen. Da sich an der Rezeption des Hostels aber eine kompetente Auskunftsperson befand liess ich mich dann doch davon überzeugen dass ich aufgrund von Zeitknappheit besser nur zum zweiten Kick fahre.

Fussball, Argentinien, Primera División, neuer Ground und Länderpunkt
22.09.11 CA Boca Juniors – Club Estudiantes de La Plata
1:0 (1:0), 37’000 Zuschauer, Estádio Alberto J. Armando (La Bombonera), Buenos Aires

Dieser fand im bei Touristen beliebten Stadtviertel La Boca statt. Der Verein Boca Juniors ist vor allem durch seinen berühmtesten Spieler, Diego Armando Maradona bekannt geworden. Die Heimspiele im schmucken Estádio Alberto J. Armando oder kurz La Bombonera sind in der Regel ausverkauft. Zumindest ist es schwierig an Tickets zu kommen. So legte auch ich mich zwei Stunden vor dem Spiel auf die Lauer und konnte den horrenden Schwarzmarktpreis immerhin auf 100 Pesos runterhandeln.

Die Stimmung war ganz gut, allerdings nicht so weltbewegend wie immer erzählt wird. Ein Spiel dass den ganzen Lobeshymnen meiner Freunde auch nur annähernd gerecht wurde habe ich in Argentinien keines gesehen. Trotzdem ist Fussball in Argentinien und insbesondere in Buenos Aires auf jeden Fall ein Erlebnis.

Fussball, Argentinien, Primera B Nacional, neuer Ground
23.09.11 Quilmes AC – CA Huracán
2:0 (0:0), 15‘000 Zuschauer, Estadio Centenario Dr. José Luis Meiszner, Quilmes

Am Freitag war dann eine Reise in den Vorort Quilmes angesagt. Quilmes ist vor allem wegen seiner riesigen Brauerei bekannt, weswegen die Fussballfans auch Los Cerveceros genannt werden. Die rund 30-minütige Fahrt mit dem Zug vom Bahnhof Constitución kostete mich gerade mal 0.8 Pesos pro Weg. Wirklich wohl fühlte ich mich in Quilmes jedoch nicht, denn zuviele neugierige Blicke musterten mich auf dem kurzen Fussmarsch entlang der kaum beleuchteten Strasse.

Die Partie der zweiten Spielklasse war dann aber ganz ahnsehnlich. 15’000 Zuschauer fanden sich im eher modernen Stadion ein, wovon auch einige tausend den Gästen zuzuordnen waren. Um ehrlich zu sein fand ich die Stimmung bei Quilmes die beste meiner Reise.

Vor dem Spiel allerdings schlenderte ich wenige Meter zu einem anderen Hostel. Hier hatte ich mich mit Franzi verabredet, einer Deutschen welche tags zuvor ihre Weltreise gestartet hatte und nun einen Begleiter in Buenos Aires benötigte. Zusammen spazierten wir durch den alten Hafen Puerto Madero und die vielen Einkaufsstrassen der riesigen Stadt. Zum Abendessen gönnten wir uns dann eine leckere Pizza in der Nähe meines Hostels. Die Restaurants und Imbissbuden in Buenos Aires sind allgemein sehr italienisch geprägt.

Am Samstag war erneut ein wenig Sightseeing angesagt. Mit Franzi ging es auf einen längeren Fussmarsch zum Stadtteil Recoleta. Hier ist insbesondere der noble Friedhof sehenswert. Hunderte Gruften und Mausoleen reihen sich hier aneinander. Bestattet sind vor allem reiche Familien und wichtige Persönlichkeiten. Die wohl bekannteste von ihnen ist die in Buenos Aires allgegenwärtige Evita, welche mit richtigem Namen María Eva Duarte de Perón hiess.

Evita war die zweite Frau des Staatspräsidenten Juan Perón und wurde von der argentinischen Bevölkerung schon fast gottgleich verehrt. Ihr Tod 1952 löste landesweite Bestürzung aus. Begraben liegt sie allerdings im verhältnismässig schlichten Grab der Familie Duarte, vor welchem sich regelmässig eine lange Schlange bildet.

Vor dem Friedhof fand an jenem Tag ein sehenswerter Kunstmarkt statt, auf dem alle möglichen handgemachten Dinge an die Touristen gebracht wurden. Manchmal ist es schon schade dass man nicht mehr Platz im Gepäck hat.

Wir gönnten uns einen Kaffee und genossen auf einer Wiese das herrliche Frühlingswetter. Dabei muss man allerdings aufpassen dass man sich nicht in einen der tausenden Haufen Hundescheisse setzt die in der ohnehin schon dreckigen und stinkenden Stadt überall herumliegen. Die Portenos (Einwohner von Buenos Aires) halten ziemlich viele Hunde. Zeit um mit ihnen Gassi zu gehen haben sie allerdings keine, weshalb der Job des Hundegassigehers boomt. Immer wieder sieht man Leute mit bis zu einem Dutzend Hunde an der Leine.

Fussball, Argentinien, Primera División, neuer Ground
25.09.11 CA Independiente – CA Vélez Sársfield
0:1 (0:1), 20‘000 Zuschauer, Estadio Libertadores de América, Avellaneda

Am Sonntag morgen wollte ich auch Franzi den argentinsichen Fussball schmackhaft machen. Mit der Partie Independiente gegen Velez in einem seit Jahren halbfertigen Stadion hatte ich aber kein glückliches Händchen. Die Partie war langweilig und endete mit einem Auswärtssieg. Die Stadien von Independiente und des Erzrivalen Racing stehen übrigens nur wenige hundert Meter voneinander entfernt im Vorort Avellaneda.

Fussball, Argentinien, Primera División, neuer Ground
25.09.11 CA San Lorenzo de Almagro – Racing Club Asociación Civil
0:0 (0:0), 35‘000 Zuschauer, Estadio Pedro Bidegain, Buenos Aires

Ohne Franzi ging es dann gleich weiter zum nächsten fussballerischen Kräftemessen in Argentinien. An einer Bushaltestelle lernte ich den jungen San Lorenzo-Hincha Manuel kennen, welcher dann auch gleich Hin- und Rücktransport mit Taxi bzw. Auto seiner Freunde organisierte.

Auch eine Karte zum für die bereits ausverkauften Stehplätze besorgte er mir in Kürze (90 Pesos). Bei der Partie San Lorenzo gegen Racing handelte es sich um einen sogenannten Clasico, also ein Stadtderby. Das ziemlich sehenswerte Stadion etwas ausserhalb des Zentrums war mit rund 37‘000 Fans ziemlich gut gefüllt. Die Stimmung hielt sich in Grenzen, was unter anderem am torlosen Remis gelegen hatte. Trotzdem war ich mit der Partie ganz zufrieden.

Auf der Rückfahrt zeigte mir Manuel noch den TESCO-Supermarkt, an dessen Stelle vor einigen Jahrzehnten noch das Stadion von San Lorenzo stand. Dieses mussten sie damals aus Geldnot verkaufen.

Fussball, Argentinien, Primera División, neuer Ground
26.09.11 CA Lanús – CA Colón
1:1 (1:0), 17’000 Zuschauer, Estadio Ciudad de Lanús, Lanús

Am Montag schaute ich mir noch das eher langweilige Spiel in Lanús an. Die Stadt Lanús ist aber ganz nett um vor dem Spiel ein paar Stunden bei leckerem Gelati zu chillen. Auch hierher ging es mit dem spottbilligen Zug.

Da ich Buenos Aires nie wirklich ins Herz schliessen konnte entschloss ich mich am Dienstag für zwei Tage nach Santiago de Chile zu fahren. Dass daraus fast zwei Wochen werden würden ahnte ich damals noch nicht…



Lezama: Das Dorf in dem alles anders ist.

30 09 2011

Nach rund 7 ½ Stunden über den Wolken erreichte ich spätabends die Argentinische Hauptstadt Buenos Aires. Die Fluglinie Aerolineas Argentinas kann ich überhaupt nicht empfehlen. Nach dem schlechten Service am Boden laberten die Flugbegleiterinnen ständig etwas von Turbulenzen, nur damit sie während des Fluges keine Passagiere bedienen mussten.

Am Flughafen Ezeira lief die Einreise dann problemlos. Amerikaner, Kanadier und Australier dürfen bei der Einreise übrigens gleich mal zwischen 120 und 140 US-Dollar abdrücken. Unsereins durfte kostenfrei einreisen. Der Shuttle-Service von Manuel Tienda Leon kam zwar mit massiver Verspätung, setzte mich aber direkt vor meinem Hostel ab. Kostenpunkt 60 Pesos (1 Sfr. = ca. 5 Pesos).

Die Nacht war kurz und nach dem Frühstück machte ich mich auf zum Busbahnhof Retiro. Dieser ist mit der Metro für 1.25 Pesos ziemlich einfach zu erreichen. Die Grösse des Terminals ist beeindruckend. Im 1. Stock reihen sich hunderte Ticketschalter aneinander, im Erdgeschoss stehen die Busse in einer Reihe.

Mit Condor Estrella machte ich mich auf den Weg in die Pampa. „Wohin wollen Sie?“ Die Dame am Schalter konnte nicht wirklich verstehen was ein Tourist im 5000-Seelen-Dorf Lezama will. Doch in Lezama wartete man bereits auf mich. Mit einem lustigen Schild standen meine beiden Arbeitskollegen Marco und Martin sowie mein nach Lezama ausgewanderter Ex-Arbeitskollege David pünktlich an der Haltestelle.

Nur wenige Minuten entfernt, am Rande des ruhigen Nestes wohnt David mit seiner Familie in einem hübschen kleinen Häuschen. Wir drei wurden in einer noch nicht ganz fertig gestellten Garage einquartiert. Allerdings hatte jeder sein eigenes Bett, auch wenn die Matratzen nicht für jeden Rücken ganz optimal waren.

Am ersten Tag war erst einmal die Begrüssungstour angesagt. Die meisten von Davids Freunden und Verwandten haben schon einmal in der Schweiz gearbeitet und sprechen daher schweizerdeutsch. Die meisten sogar in meiner aktuellen Wohngemeinde. Abends wurden dann die ersten Quilmes-Biere vernichtet. Bier trinkt man in Argentinien in der Regel aus der Literflasche. Leider bietet das Nachtleben von Lezama weniger als nichts, weshalb wir den Abend jeweils in einer privaten Billardbar im Hinterzimmer einer Bocciahalle verbrachten.

Am Dienstag waren schliesslich Reitstunden angesagt. Rund um Davids Haus weiden unzählige Pferde. Uns wurde der Gaul Regalito zugeteilt. Während David sich als richtiger Gaucho bewährte zeigte meine Wenigkeit doch etwas Respekt vor dem ungewohnten Fortbewegungsmittel. Ohne jegliche Erläuterungen setzte man mich auf den Hengst und nach einigen Anfangsschwierigkeiten tat dieser dann auch was ich wollte. So einfach ist Reiten.

Als zweite „Prüfung“ folgte am Mittwoch schliesslich Fischen. Nachdem wir Davids Bruder José abgeholt hatten mussten wir noch Köder besorgen. Wie David uns in regelmässigen Abständen erklärte ist in Lezama sowieso alles anders, deshalb fischt man hier auch nicht mit Würmern sondern mit kleinen Fischen. Anders ist übrigens auch dass man nachts nicht mit Licht fahren darf…

Mit den Fischen und reichlich Fleisch für ein Asado im Gepäck chauffierte uns David durch die Argentinische Pampa. Nicht weit von Lezama liessen wir uns an einem Fluss neben einer Brücke nieder, wo ich die Ehre hatte den ersten Fisch an Land zu ziehen. David zog dann noch zwei weitere heraus, diese waren jedoch zu klein oder ungeniessbar, weshalb die Ausbeute des Tages etwas mickrig war. Aber wir hatten ja noch das Rindfleisch welches José pflichtbewusst zubereitete.

Wie bereits Marco und Davids Familie zuvor wurde auch ich Opfer von kurzen, aber heftigen Magenproblemen, weshalb ich das von einem Gruppenleiter unsere Firma (Danke Urs!) gesponserte Abendesse leider ausfallen lassen musste.

Am Donnerstag hiess es dann schweren Herzens Abschied nehmen, wozu wieder die Runde im Dorf gemacht wurde. Von José gab es zum Abschied ein T-Shirt von Diego Armando Maradona und von David einen echten Mate-Becher. Mate, ein Tee, wird von den Argentiniern zu jeder Tages- und Nachtzeit geschlürft. Dazu benötigt es aber einen speziellen Becher und eine Art Trinkrohr.

Mit dem gewohnten Bus fuhren wir zu dritt Richtung Buenos Aires zurück. Marco und Martin suchten sich dann gleich Tickets für den Nachtbus nach Mendoza, während ich in mein bereits bekanntes Hostel zurückfuhr.